Nicole Wilhelm

Inspirationen-ABC

Hier findest du meine Gedanken zu den verschiedensten Themen des Alltags. Es kommen regelmäßig neue Gedanken dazu.

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Aufräumen

Eigentlich wäre es ganz einfach, wenn sich jedes Familienmitglied an die „So wie vorher“ – Regel halten würde. Was man herräumt, räumt man weg, was man dreckig macht, macht man sauber, was man leer macht, füllt man auf…Ganz einfach. Doch das funktioniert meistens nicht. Was ist da los?

Wenn Kinder im Kindergartenalter sind, beginnen sie diese Regeln zu verstehen, auch wenn sie oft noch überfordert sind, die Menge an Zeug zu verwalten. Kinder haben in unserer Wohlstandsgesellschaft so viele Sachen, und dafür sind sie ja nicht verantwortlich, sondern wir Erwachsenen. Wir alle haben in der Regel viel zu viel Zeug. Oft ist es schon sehr hilfreich, wenn man nur ein Drittel des Spielzeugs in der Wohnung hat (oder weniger kauft), und zwei Drittel irgendwo anders aufbewahrt und das Spielzeug dann immer mal wieder austauscht. Dann ist es immer wieder neu, und es gibt viel weniger aufzuräumen.

Im Schulalter können Kinder meist schon ganz gut aufräumen. Einer der Hauptstreitpunkte in diesem Alter ist oft das Zimmer des Kindes. Das sieht es aus…Ja, in den meisten Kinderzimmern sieht es unordentlicher aus, als die meisten Erwachsenen das sich wünschen würden. In meinem Arbeitszimmer sieht es auch unordentlicher aus, als mein Mann sich das wünschen würde. Doch er ermahnt mich nicht, aufzuräumen, denn er ist ja ein kluger Mann und weiß: Es ist mein Zimmer. Und so ist es auch bei Kindern. Wenn ich denken kann: „Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen“, erleichtere ich mir meinen Alltag sehr. Wenn das Chaos aus meiner Sicht überhandgenommen hatte, habe ich meinen Kindern angeboten, beim Aufräumen zu helfen, und manchmal haben sie mein Angebot angenommen.

Doch was ist bei den gemeinsam genutzten Räumen? Kinder sind Seismographen, wenn es darum geht, herauszufinden, ob wir wirklich ihre Hilfe brauchen, oder ob sie das Objekt pädagogischer Ziele sind. Wenn ich Hilfe nur ein fordere, weil ich denke: „Mein Kind muss ja lernen…“ haben Kinder kein Interesse daran.

Das ist häufig der Fall beim Thema Tischdecken. Eltern fordern es ein, dabei dauert es kaum länger als 1-2 Minuten, den Tisch zu decken, also Gläser, Teller und Besteck darauf zu verteilen, und wenn ich sowieso in der Küche bin und koche, kann ich diese Aufgabe eigentlich nebenbei erledigen. Doch wieso wird so häufig von Kindern gefordert, diese Aufgabe zu übernehmen?

Sicherlich bin ich in meiner Familie dafür, gemeinschaftliche Arbeiten auf alle in der Familie zu verteilen. Und wenn es viel Streit bei der Erledigung dieser Arbeiten gibt, wäre es vielleicht eine gute Idee, die Ursache dafür genauer zu betrachten.

Anstatt übers Aufräumen oder Tischdecken zu reden, wollte ich mich viel lieber darüber unterhalten, ob sich alle in dieser Gemeinschaft wohl und wertvoll fühlen, wie es jedem einzelnen Familienmitglied in dieser Gemeinschaft und in seinem Leben geht. Denn kein Mensch will nur nehmen und nicht geben, und wenn ein Kind nicht gibt, gibt es vielleicht irgendwo zu viel. Mein Lieblingsbeitrag zu diesem Thema sind die Gedanken von Jesper Juul in seinem Buch „Was Familien trägt“. Da gibt es ein Kapitel: „Der aktive Beitrag der Kinder.“

Und vielleicht gebe ich selbst zu viel und werde dadurch unzufrieden und „meckerig“. Oft ist es schon hilfreich, das in Worte zu fassen: „Ich erledige mehr Arbeit, als gut für mich ist. Und ich wünsche mir mehr Hilfe von euch.“ Und dann darüber zu reden, wie es den anderen mit der Verteilung der Aufgaben geht, welche Wünsche und Vorstellungen im Raum sind. Aus meiner Sicht geht es im Kern um die Frage: Wie wollen wir unsere Gemeinschaft so gestalten, dass jedes Familienmitglied sich wohl fühlt und bekommt, was es braucht.

Essen

Ich finde es wichtig, dass Kinder angstfrei Essen genießen können. Doch immer mehr Kinder haben Angst vor Essen. In einer dritten Klasse haben wir eine Sprechübung im Rahmen eines Theaterstücks gemacht. Die Kinder sollten in ansteigen der Lautstärke sagen: „Ich will Schokolade“, und wenn sie auf der sechsten und lautesten Stufe waren, bekamen sie ein Stück Schokolade. Ein Mädchen meinte daraufhin: „Ich esse keine Schokolade, davon bekomme ich Diabetes.“ Ein Junge kommentierte: „Ja, Krebs kann man davon auch kriegen.“

Als ich meiner Tochter davon erzählt habe, meinte sie: „Was waren das noch für schöne Zeiten, als ich noch nicht wusste, dass Eis Kalorien hat.“ Und das beschreibt sehr schön, wie sehr Kinder in der Lage sein können, ihr Essen zu genießen, ohne den gedanklichen Ballast, den die meisten Erwachsenen in ihren Köpfen haben.

Sicherlich ist Zucker ein großer Gesundheitsfeind, doch halte ich es für sehr wichtig, eine andere Art der Führung anzubieten, als Kindern Angst zu machen.

Wie kann das gehen? Ich glaube, wenn wir ein gut schmeckendes, gesundes Angebot machen, in einem freundlichen und netten Kontakt am Tisch, braucht es nicht mehr als das.

Denn Essen ist vor allem Gewohnheit. Wir gewöhnen uns an den Geschmack, ebenso an den emotionalen Zustand, in dem wir zusammen essen.

Der Geschmack: Bei meinem ersten Kind hatte ich die Vorstellung, dass das Abstillen allmählich vonstatten gehen würde, und im gleichen Maße mein Kind vom Familientisch mitessen würde. Soweit die Theorie. Es stellte sich heraus, dass mein Sohn zwar mit großer Begeisterung aß, jedoch musste das Essen fein püriert sein, alles andere würgte ihn.

Im Griechenlandurlaub wollte ich im Supermarkt für ihn Babygläschen kaufen. Mit großer Verwunderung stellte ich fest, dass es die bei uns übliche Geschmacksrichtung „Kartoffeln mit Möhre“ nicht gab, dafür aber Gläschen mit Schafskäse und Oliven.

Kinder gewöhnen sich schon während der Schwangerschaft an das in der Familie übliche Essen, später nehmen sie durch die Nase die Geruchsstoffe der angebotenen Nahrung wahr (das ist auch der Grund, warum Kinder kein Essen probieren müssen, um zu wissen, ob es ihnen schmeckt, denn diese Leistung verbringt alleine die Nase), und sie gewöhnen sich allmählich immer mehr zum Beispiel auch an Brokkoli. Wer darüber gerne mehr erfahren will, findet in dem Buch von Herbert Renz Polster „Kinder verstehen“ dazu viele Anregungen.

Deshalb ist es aus meiner Sicht völlig ausreichend, wenn wir Erwachsenen uns Gedanken über gesunde Ernährung machen und diese anbieten, ohne den Kindern diesen Kopfschmerz zu bereiten.

Auf unserem Tisch gab es immer einen Teller mit Rohkost, sodass sich alle jederzeit mit Möhren, Gurken, Paprika und so weiter versorgen konnten, abends war der Teller leer.

Ebenso wichtig finde ich die Stimmung, die am Tisch gelebt wird. Ist es ein Ort, wo jeder sein darf, wie er im Moment eben ist? Ist es freundlich und wohlwollend?

Zuweilen ist der Esstisch ein Ort, an dem Kinder ausgefragt werden.: Wie war es im Kindergarten? Hast du schon für die Arbeit gelernt? Doch eine bessere Stimmung entsteht nach meiner Erfahrung, wenn wir unser eigenes Leben und unsere eigenen Gedanken an diesem Tisch zur Verfügung stellen, auch als Einladung für alle, sich mitzuteilen.

Kurz: Wir sorgen für gute Nahrung und angenehme Stimmung, und die Kinder entscheiden dann, ob sie mit uns essen wollen, was und viel sie essen und auch, ob sie etwas zum Gespräch beitragen wollen.

Ein kleiner Ausblick: Wenn Kinder älter werden und vielleicht sogar ausziehen, spielen wir nicht mehr gemeinsam Lego oder lesen vor. Was wir gemeinsam tun, zum Beispiel bei Geburtstagen oder Weihnachten, ist oft gemeinsam essen. Und die Stimmung, die wir heute beim Essen miteinander etablieren, die trägt auch die Situationen in der Zukunft.

Ich wünsche euch guten Appetit, und wenn ihr mehr darüber lesen wollt, findet ihr viele Anregungen auch in dem Buch von Jesper Juul „Essen kommen“. Besonders gut gefallen mir darin die Tischmanieren für Eltern.

Großeltern

Wenn Eltern und Großeltern sich gut verstehen, ist das eine WIN-win-win Situation, für Eltern, Großeltern und Kinder. Doch in wirklich vielen Familien ist das, was ein großes Plus sein könnte, oft auch eine Belastung. Viele Eltern ringen um die Frage, ob das Verhalten der Großeltern ihrem Kind vielleicht schaden könnte, wie sie sich gegen unerwünschte Einmischung abgrenzen können und was man tun kann, wenn Großeltern mit ihrem Verhalten dennoch fortfahren.

Wenn Großeltern ihre Rolle verlassen

In der Erziehung haben Großeltern nichts verloren, oder wie ein Vater einmal zu seiner Mutter sagte: „Ich bin der Vater, du die Oma – halte dich raus.“ Sicherlich kann ein Blick von außen hilfreich sein, doch nicht ungefragt und schon gar nicht, wenn kein Interesse an einem echten Austausch besteht, nach dem Motto: „Da müsst ihr konsequent sein, sonst tanzen die euch auf der Nase rum… Ihr habt früher auch nicht so ein Theater gemacht“.

Jede Generation trägt etwas dazu bei, dass die Entwicklung weitergeht, und jetzt sind eben die heutigen Eltern an der Reihe. Viele Eltern der Großeltern-Generation haben daran gearbeitet, die physische Gewalt aus der Erziehung herauszuhalten. Eltern heute versuchen, die psychische Gewalt draußenzuhalten. Und ich bin sehr gespannt, was die nächste Generation zur Entwicklung der Menschheit beitragen wird. Ich würde mir wünschen, dass sie es schaffen zu etablieren, dass wir alle Weltbürger sind. Denn unser Überleben auf dieser Erde wird uns nur gelingen, wenn wir begreifen, dass wir alle miteinander verbunden sind.

Frustriert es oder schadet es?

Diese klaren Worte von Mathias Voelchert bringen es aus meiner Sicht am besten auf den Punkt. Großeltern verhalten sich, wie sie sich nun mal verhalten, und das ist ja auch ihr gutes Recht. So geben sie Kindern oft mehr Süßigkeiten, als wir uns das wünschen würden oder verlangen, dass Kinder bis zum Ende der Mahlzeit am Tisch sitzen bleiben. Wir alle haben unterschiedliche Vorstellungen, wie wir zusammenleben wollen, und nicht alles gefällt uns. Und sicherlich ist es frustrierend, wenn man bei Oma und Opa am Tisch sitzen bleiben muss, bis alle aufgegessen haben. Doch wenn die Großeltern das Kind verkehrt machen, weil es eben nicht, wie gefordert, sitzen bleibt, dann beginnt es zu schaden. Also wenn Großeltern zum Beispiel sagen: „Wenn du nicht lieb bist, darfst du nicht mehr zu uns kommen.“ Dann wäre aus meiner Sicht ein Gespräch wichtig.

Ich finde es wichtig, das gut abzuwägen, gerade weil Großeltern eine so große Bereicherung für die Kinder sein können, und Worte gleichzeitig auch sehr verletzen können, auch da können Narben bleiben.

Bei der Beantwortung der Frage, ob es frustriert oder schadet, finde ich es auch wichtig zu bedenken, dass die Kinder nicht unsere Verletzungen tragen. Kommentare und Verhaltensweisen, unter denen wir als Kinder sehr gelitten haben, mögen für unsere Kinder nicht so schlimm sein, weil sie zu Hause etwas ganz anderes erleben und aus einem anderen Selbstverständnis heraus agieren.

Als meine Tochter sechs Jahre alt war, kaufte sie mit den Großeltern beim Bäcker einen Granatsplitter. Sie biss hinein und stellte fest, dass er nicht so lecker schmeckte, wie er aussah und wollte ihn nicht essen. Die Großmutter bestand jedoch darauf, dass sie ihn aufaß, denn schließlich hatte sie ihn ja auch ausgesucht. Das hat meine Tochter jedoch nicht sehr beeindruckt, denn sie versenkte das Teil im nächsten Mülleimer. Sie hatte bei uns erlebt, dass man nichts essen muss, was einem nicht schmeckt. Und aus diesem Selbstverständnis heraus hat sie gut für sich gesorgt.

Und wenn es schadet?

Wenn ich zu dem Schluss komme, dass das Verhalten der Großeltern mir oder meinem Kind schadet, finde ich es wichtig, darüber nachzudenken, wie der Kontakt gestaltet werden kann, oder ob ich überhaupt Kontakt will.

Eine Frau stellte fest, dass sie schon Tage vor dem Besuch ihrer Mutter mit Stress reagierte, sie hatte Herzklopfen und Kopfschmerzen, war gereizt zu ihrem Mann und ungeduldiger mit ihren Kindern. All das verstärkte sich noch, wenn ihre Mutter dann zu Besuch war. Sie beschloss, ihre Mutter erst mal nicht zu sehen, weil es ihr einfach nicht guttat und ihrer Familie auch nicht.

Für sich selbst zu sorgen, also den Selbstschutz über den Bindungsschutz zu den eigenen Eltern zu stellen, ist erst seit kurzem in unserer Gesellschaft denkbar, ohne auf massiven Widerstand zu stoßen.

Kinder schulden ihren Eltern nichts, gar nichts. Wenn Eltern es gut gemacht haben, wollen Kinder sich gerne kümmern, das ist ja ein menschliches Bedürfnis. Doch wenn die Eltern es verkackt haben, und nicht bereit sind, die Verantwortung dafür zu übernehmen oder gar ihr schädliches Verhalten immer noch ausüben, wieso sollte man Kontakt halten?

Ist die Zeit, die ich mit meinen eigenen Eltern verbringe, gut verbrachte Lebenszeit? Oder schadet es mir oder meinem Kind und belastet mich und meine Familie?

Ich persönlich hege keinen Groll gegen meine Mutter, obwohl sie mir wirklich massiv geschadet hat, auch noch, als ich erwachsen war. Weil ich aus meinem Menschenbild heraus weiß, dass sie ihr bestmögliches getan hat, und es aufgrund ihrer eigenen Geschichte nicht besser hinbekommen hat, kann ich das heute so annehmen. Doch irgendwann, nach viel persönlicher Entwicklung, bei der ich viel Hilfe hatte, war für mich klar, dass ich mich ihrem für mich schädlichen Verhalten nicht länger aussetzen wollte. Heute bin ich erwachsen und kann tun, was ich will und was mir guttut. Deshalb habe ich mich ferngehalten, im Frieden mit mir und im Frieden mit ihr, auch wenn sie das nicht verstehen konnte.

Helikopter- Eltern, Rasenmäher-Eltern, Zirkus-Eltern….

Um es gleich vorweg zu sagen: Mich ärgern diese Zuschreibung von Eltern sehr! Eltern heute begleiten ihre Kinder so engagiert und auf deren emotionale Gesundheit bedacht, wie es vermutlich in noch keiner Generation davor geschehen ist. Und man merkt es auch den Kindern an: Sie haben keine generelle Angst mehr vor Erwachsenen, sie gehen selbstbewusst durch ihr Leben und erwarten, dass man sie anständig behandelt. Sie wissen, dass sie Rechte haben und dass sie eine Würde haben. Danke, ihr Eltern, dass ihr neue Wege geht und dazu beitragt, dass Kinderrechte mehr und mehr in unser gesellschaftliches Bewusstsein kommen und Kinder ein gesundes Selbstgefühl entwickeln können.

Und wie immer, wenn man neue Wege geht, sind Fehler ein natürlicher Bestandteil eines solchen Weges. Um wirklich zu begreifen, wo die Grenzen und die Integrität von Kindern verlaufen, muss man sehr genau hinschauen. Und so kann es sein, dass wir mit einer riesigen Lupe schauen, wo die Grenzen unseres Kindes verlaufen, und manchmal verlieren wir dabei uns selbst oder die Grenzen anderer aus dem Blick. Das ist ja nicht besonders schlimm – denn wir alle sind Lernende. Und wenn ich feststelle, dass ich meine eigenen Grenzen und Bedürfnisse aus dem Blick verloren habe, dann kann ich ja daran etwas verändern.

Ich wünsche euch viel Freude bei eurer Reise!

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